Von Farbe läßt sich schwer absolut sprechen, sie definiert sich erst im Zusammenhang ihrer Umgebung. Die gegenseitige Beeinflussung der Farben vollzieht sich gesetzmäßig. Wirkungsgefüge, die diese sich zwischen den Farben abspielenden Beziehungen vorführen, lassen sich daher herstellen.
Um solche Wechselbeziehungen der Farben vorzuführen, hat Jürgen Ferdinand Schlamp seine Bildtafeln auf höchste didaktische Einfachheit gebracht. Vier bis sechs horizontale parallele Farbstreifen sind das überschaubare Instrumentarium für ein möglichst komplexes Geflecht von ablesbaren Beziehungen. Die Komplementärbeziehungen zwischen jeweils einem Farbenpaar bildet meistens die gesetzmäßige Grundlage der Beziehung, doch wird die Komplementärwirkung nicht immer rein eingesetzt.
Eine Farbfolge zeigt von oben nach unten Orange, Gelbgrün, Blaugrün und Rot. Die Komplementärfarbe zu Orange wäre Blau, die zu Rot wäre Grün, beide Farben treten jedoch nicht rein in Erscheinung, sondern sind in die Farben Gelbgrün und Blaugrün eingegangen. Die Komplementärfarben sind also verschoben und zwar gerade soweit, daß sie noch als Komplement erkennbar sind, die Abweichung jedoch eine zusätzliche Spannung erzeugt. Hier kommt eine Willkürlichkeit ins Spiel, die ihrerseits wieder dadurch eingefangen werden muß, daß das Bild als gesamtes Gefüge in einen gleichgewichtigen Zustand gebracht wird, an dem unser Gefühl keine Veränderung mehr verlangt. Durch die Störung und den Ausgleich gelangt das Bild von der Ebene einfacher Lehrbuchlogik auf die Ebene einer komplexen Wechselbeziehung; das Bild gewinnt so seine Identität.
Reent Schwarz: Zur Malerei J.F. Schlamps. galerie diogenes. Berlin 1971